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Der
Ruder-Club
Tegel steht im Begriff, sein bestehendes Bootshaus zu erweitern. Dass
wir aber bauen können, verdanken wir aber dem glücklichen Umstand, dass der
Grund und Boden, auf dem das Haus steht, dem Ruder-Club
Tegel gehört.
Zur Geschichte des Erwerbs des Grundstücks, dass weit und breit das einzige
im Privatbesitz ist, haben sich in der Vergangenheit die unterschiedlichsten
Geschichten gerangt. Hier nun die wahre Geschichte, die ich in alten
Unterlagen gefunden habe. Sie wurde niedergeschrieben von einem unserer
ehemaligen Vorsitzenden des Ruder-Club Nordstern (1926-27), Alfred
Würzberg (verst.), der maßgeblich beteiligt war:
Man schrieb das
Jahr 1909, als einige wenige tatkräftige und unternehmungslustige Männer den
Entschluss fassten, einen Ruder-Club mit dem Namen „Nordstern“ an den
Ufern des Tegeler Sees zu gründen. Sie pachteten vom Herrn des
Schlossbezirks Tegel, Geheimrat von Heinz, ein 700 qm
großes Grundstück in der Nähe der Sechserbrücke, bauten im Stil der
Schweizerhäuser ein schmuckes Bootshaus und kauften die ersten Boote. Der
jährliche Pachtzins betrug pro qm RM 1,- (Reichsmark). Es
waren also jährlich RM 700,- aufzubringen in einer Zeit, als vor dem
Borsigeingang an den Zahltagen Händler die weichen Herrensocken für 35 Pfg
verkauften, wo die Portion Gänsebraten mit Rotkohl für 70 Pfg. zu haben war
und in den Stehbierhallen 0,4 Ltr. Patzenhofer Kindl oder Bötzow Bier einen
ganzen Groschen (10 Pfg.) kostete.
Fünf Jahre ging
alles gut, doch dann begann der 1. Weltkrieg und viele Kameraden fielen auf
den Schlachtfeldern. Nach dem Ende des Krieges im Jahre 1918 machte Herr von
Heinz dem Vorstand des Clubs einen interessanten Vorschlag: Das Grundstück
sollte auf 2.000 qm vergrößert werden, bei einem Pachtzins
von RM 1,- sollte es bleiben. Wenn der Club in der Lage sei, ihm ein
Darlehen von RM 40.000,- zu gewähren, dann sollte als Gegenleistung ein
Erbpachtvertrag auf 66 Jahre geschlossen werden, wobei das Darlehen zu 5 %
zu verzinsen war, so dass sich der Pachtzins und die Darlehenszinsen
gegenseitig aufhoben. Unter den Mitgliedern wurde gesammelt, man brachte RM
30.000,- zusammen, die dem Schlossherrn ausgehändigt wurden, und man sagte
zu, die restlichen RM 10.000,- so schnell wie möglich nachzuschicken. Der
Erbpachtvertrag sollte nach Zahlung der Restsumme gefertigt werden. Es
dauerte aber rund ein Jahr, bis die Summe zusammen war. Herr von Heinz hatte
aber zwischenzeitlich seine Absichten geändert. Er gab die geliehene Summe
zurück und der damalige Vorsitzende nahm den Betrag widerspruchslos an. Ein
Fehler, den er später schwer bereute. Das Geld war also wieder da und hätte
an die Anteilsgeber zurückgezahlt werden können. Anlässlich des
Eisbeinessens im Jahre 1920 hielt der Vorsitzende August Wittler eine
längere Rede, die damit endete, dass er seine RM 5.000,- dem Club stiftete
und die Kameraden Heinrich Wittler und Lembke dazu brachte,
ebenfalls auf ihre gezeichneten Beträge zu verzichten. Andere schlossen sich
an und so kamen an diesem Abend RM 25.000,- zusammen, eine beachtliche Summe
für diese Zeit. Durch die Inflation in den Jahren 1921 - 1923 verlor das Geld
rasant seinen Wert. Es gab danach aber mit der Zeit doch wieder eine stabile
Währung mit vielen Vorschriften der Aufwertung bestimmter
Zahlungsverpflichtungen, doch keine ließ sich auf den Pachtzins anwenden.
Der Pachtzins betrug nunmehr 2.000,- Rentenmark, eine Summe, die
unerschwinglich schien. Der Vorschlag des Clubs an Herrn von Heinz, die
Aufwertung der Reichsmark in der gleichen Weise wie bei den Hypotheken
vorzunehmen, wurde von ihm abgelehnt Man einigte sich darauf, die endgültige
Regelung bis zu dem Tag zu verschieben, an dem über einen Musterprozess über
weitere Pachtgrundstücke im Schlossbezirk entschieden werden sollte. Dieser
Musterprozess ging 1931 verloren und Herr von Heinz präsentierte nunmehr
seine Rechnung: Jahrespacht 2.000,- Rentenmark und außerdem die rückständige
Pacht seit Einführung der Rentenmark, also für sieben Jahre 14.000,-
Rentenmark. Die Beträge wären sofort zu entrichten. Diese Summen waren
unmöglich aufzubringen und das Schicksal des Ruder-Club Nordstern
schien damit besiegelt. Ein konsultierter Rechtsanwalt meinte, am besten
wäre es, das Grundstück zu kaufen. Man kam überein, es zu versuchen, obwohl
man dem Vorhaben wenig Chancen einräumte. Walter Kießling, damals
Vorsitzender des Clubs (1928 - 1936) und Vorsteher der Dresdner Bank-Filiale in
Tegel, hatte eine gute Gelegenheit, ein Gespräch zu dritt herbeizuführen.
Dieses fand im Schloß Tegel statt und begann damit, dass der Schlossherr zu
verstehen gab, dass doch durch die Prozesse alles klar sei und er nicht
wisse, was eigentlich noch zu besprechen sei. Die Hinweise auf weitere
mögliche Prozesse, die der Club anstrengen könnte und die moralische
Verpflichtung, dass es sich ein Mann seines Standes doch wohl kaum leisten
könne einen Verein sich auflösen zu lassen, der in großem Maße Jugendpflege
betreibt, ließen den Schlossherrn dann wohl doch nachdenklich werden. Nun
geschah das, was sich die beiden Clubmitglieder kaum vorzustellen gewagt
hatten. Herr von Heinz sagte nach kurzer Überlegung als „Kavalier der alten
Schule“: Auch er sei daran interessiert, die unangenehme Angelegenheit aus
der Welt zu schaffen. Er sei bereit, das Grundstück zu einem Preis von 8,-
Rentenmark je m2 zu verkaufen. Die rückständige Pacht wird mit RM
4.000,- abgegolten, so dass noch 20.000,- Rentenmark zu zahlen wären. |
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Das Angebot war
mehr als großzügig. Man beeilte sich auch dem Schlossherrn gegenüber den
Vorschlag für fair zu erklären, musste aber eingestehen, dass man das
Gespräch auf eigene Faust ohne Wissen des Clubs geführt habe und daher erst
die Zustimmung des Clubs benötige. Das Angebot wurde nun für 14 Tage offen
gehalten. Die Mitglieder waren mit dem Vorgehen einverstanden. Nach
Erledigung der Formalitäten gehörte das Grundstück dem Ruder-Club
Nordstern. Es wurden vier Hypotheken, die mit 8 % zu verzinsen waren,
aufgenommen. Je eine übernahmen die Kameraden Hugo Taubert und
Rino Hirsch, einen Teil die Mutter einer rudernden Tochter, Frau
Thiel, und einen ein dem Club nahe stehendes Nicht-Mitglied. Später
erreichte Walter Kießling auch noch, dass die Hypothekenzinsen auf 6
% herabgesetzt wurden.
Als kleine, für
uns Männer nicht gerade schmeichelhafte, Bemerkung am Rande sei
festgehalten, dass die Zahlungsmoral der Mitglieder damals nicht die beste
war. Die im Ruder-Club Nordstern rudernden Mädchen (die
Damenabteilung war gerade kurz vorher im Jahre 1931 gegründet) hatten eine
bessere Zahlungsmoral. Aus diesem Grunde wurde der Beschluss gefasst, die
Damenabteilung zu vergrößern, doch soll nicht verschwiegen werden, dass
gleichzeitig festgelegt wurde, die Abteilung wieder abzubauen, sobald die
Schulden einigermaßen gedeckt waren. Zur Ehrenrettung der Männer sei aber
auch gesagt, dass dieser Geheimbeschluss nie in die Tat umgesetzt wurde. Man
hatte nämlich zwischenzeitlich erkannt, dass sich Männlein und Weiblein viel
besser verstanden, als vorher angenommen wurde.
Aus diesem
Bericht ist zu erkennen, dass den Mitgliedern des damaligen Ruder-Club
Nordstern, einem der Gründervereine des heutigen
Ruder-Club
Tegel,
nichts geschenkt wurde. Wir haben also ein Erbe angetreten, dass uns unsere
„Altvorderen“ hinterlassen haben, für das wir dankbar sein müssen und dass
wir zu pflegen und weiterzugeben haben an unsere nach uns kommenden
rudernden Generationen.
Klaus-Dieter
Nimscheck |