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Clubgrundstück

Wie wir zu unserem Grundstück kamen

Der Ruder-Club Tegel hat im Jahr 2008 sein bestehendes Bootshaus erweitert. Dass wir aber bauen konnten, verdanken wir aber dem glücklichen Umstand, dass der Grund und Boden, auf dem das Haus steht, dem Ruder-Club Tegel gehört. Zur Geschichte des Erwerbs des Grundstücks, dass weit und breit das einzige im Privatbesitz ist, haben sich in der Vergangenheit die unterschiedlichsten Geschichten gerankt. Hier nun die wahre Geschichte, die ich in alten Unterlagen gefunden habe. Sie wurde niedergeschrieben von einem unserer ehemaligen Vorsitzenden des Ruder-Club Nordstern (1926-27), Alfred Würzberg, der maßgeblich beteiligt war:

Man schrieb das Jahr 1909, als einige wenige tatkräftige und unternehmungslustige Männer den Entschluss fassten, einen Ruder-Club mit dem Namen „Nordstern“ an den Ufern des Tegeler Sees zu gründen. Sie pachteten vom Herrn des Schlossbezirks Tegel, Geheimrat von Heinz, ein 700 qm großes Grundstück in der Nähe der Sechserbrücke, bauten im Stil der Schweizerhäuser ein schmuckes Bootshaus und kauften die ersten Boote. Der jährliche Pachtzins betrug pro qm RM 1 (Reichsmark). Es waren also jährlich 700 RM aufzubringen in einer Zeit, als vor dem Borsigeingang an den Zahltagen Händler die weichen Herrensocken für 35 Pfennig (Pfg.) verkauften, wo die Portion Gänsebraten mit Rotkohl für 70 Pfg. zu haben war und in den Stehbierhallen 0,4 Ltr. Patzenhofer Kindl oder Bötzow Bier einen ganzen Groschen (10 Pfg.) kostete.

Fünf Jahre ging alles gut, doch dann begann der 1. Weltkrieg und viele Kameraden fielen auf den Schlachtfeldern. Nach dem Ende des Krieges im Jahre 1918 machte Herr von Heinz dem Vorstand des Clubs einen interessanten Vorschlag: Das Grundstück sollte auf 2.000 qm vergrößert werden, bei einem Pachtzins von 1 RM sollte es bleiben. Wenn der Club in der Lage sei, ihm ein Darlehen von 40.000 RM zu gewähren, dann sollte als Gegenleistung ein Erbpachtvertrag auf 66 Jahre geschlossen werden, wobei das Darlehen zu 5 % zu verzinsen war, so dass sich der Pachtzins und die Darlehenszinsen gegenseitig aufhoben. Unter den Mitgliedern wurde gesammelt, man brachte 30.000 RM zusammen, die dem Schlossherrn ausgehändigt wurden, und man sagte zu, die restlichen 10.000 RM so schnell wie möglich nachzuschicken. Der Erbpachtvertrag sollte nach Zahlung der Restsumme gefertigt werden. Es dauerte aber rund ein Jahr, bis die Summe zusammen war. Herr von Heinz hatte aber zwischenzeitlich seine Absichten geändert. Er gab die geliehene Summe zurück und der damalige Vorsitzende nahm den Betrag widerspruchslos an. Ein Fehler, den er später schwer bereute. Das Geld war also wieder da und hätte an die Anteilsgeber zurückgezahlt werden können. Anlässlich des Eisbeinessens im Jahre 1920 hielt der Vorsitzende August Wittler eine längere Rede, die damit endete, dass er seine 5.000 RM dem Club stiftete und die Kameraden Heinrich Wittler und Lembke dazu brachte, ebenfalls auf ihre gezeichneten Beträge zu verzichten. Andere schlossen sich an und so kamen an diesem Abend 25.000 RM zusammen, eine beachtliche Summe für diese Zeit.

Durch die Inflation in den Jahren 1921 – 1923 verlor das Geld rasant seinen Wert. Es gab danach aber mit der Zeit doch wieder eine stabile Währung mit vielen Vorschriften der Aufwertung bestimmter Zahlungsverpflichtungen, doch keine ließ sich auf den Pachtzins anwenden. Der Pachtzins betrug nunmehr 2.000 Rentenmark, eine Summe, die unerschwinglich schien. Der Vorschlag des Clubs an Herrn von Heinz, die Aufwertung der Reichsmark in der gleichen Weise wie bei den Hypotheken vorzunehmen, wurde von ihm abgelehnt Man einigte sich darauf, die endgültige Regelung bis zu dem Tag zu verschieben, an dem über einen Musterprozess über weitere Pachtgrundstücke im Schlossbezirk entschieden werden sollte. Dieser Musterprozess ging 1931 verloren und Herr von Heinz präsentierte nunmehr seine Rechnung: Jahrespacht 2.000 Rentenmark und außerdem die rückständige Pacht seit Einführung der Rentenmark, also für sieben Jahre 14.000 Rentenmark. Die Beträge wären sofort zu entrichten. Diese Summen waren unmöglich aufzubringen und das Schicksal des Ruder-Club Nordstern schien damit besiegelt. Ein konsultierter Rechtsanwalt meinte, am besten wäre es, das Grundstück zu kaufen. Man kam überein, es zu versuchen, obwohl man dem Vorhaben wenig Chancen einräumte.

Walter Kießling, damals Vorsitzender des Clubs (1928 – 1936) und Vorsteher der Dresdner Bank-Filiale in Tegel, hatte eine gute Gelegenheit, ein Gespräch zu dritt herbeizuführen. Dieses fand im Schloss Tegel statt und begann damit, dass der Schlossherr zu verstehen gab, dass doch durch die Prozesse alles klar sei und er nicht wisse, was eigentlich noch zu besprechen sei. Die Hinweise auf weitere mögliche Prozesse, die der Club anstrengen könnte und die moralische Verpflichtung, dass es sich ein Mann seines Standes doch wohl kaum leisten könne einen Verein sich auflösen zu lassen, der in großem Maße Jugendpflege betreibt, ließen den Schlossherrn dann wohl doch nachdenklich werden. Nun geschah das, was sich die beiden Clubmitglieder kaum vorzustellen gewagt hatten. Herr von Heinz sagte nach kurzer Überlegung als „Kavalier der alten Schule“: Auch er sei daran interessiert, die unangenehme Angelegenheit aus der Welt zu schaffen. Er sei bereit, das Grundstück zu einem Preis von 8 Rentenmark je m2 zu verkaufen. Die rückständige Pacht wird mit 4.000 Rentenmark abgegolten, so dass noch 20.000 Rentenmark zu zahlen wären.

Das Angebot war mehr als großzügig. Man beeilte sich auch dem Schlossherrn gegenüber den Vorschlag für fair zu erklären, musste aber eingestehen, dass man das Gespräch auf eigene Faust ohne Wissen des Clubs geführt habe und daher erst die Zustimmung des Clubs benötige. Das Angebot wurde nun für 14 Tage offen gehalten. Die Mitglieder waren mit dem Vorgehen einverstanden. Nach Erledigung der Formalitäten gehörte das Grundstück dem Ruder-Club Nordstern. Es wurden vier Hypotheken, die mit 8 % zu verzinsen waren, aufgenommen. Je eine übernahmen die Kameraden Hugo Taubert und Rino Hirsch, einen Teil die Mutter einer rudernden Tochter, Frau Thiel und einen ein dem Club nahestehendes Nicht-Mitglied. Später erreichte Walter Kießling auch noch, dass die Hypothekenzinsen auf 6 % herabgesetzt wurden.

Als kleine, für uns Männer nicht gerade schmeichelhafte, Bemerkung am Rande sei festgehalten, dass die Zahlungsmoral der Mitglieder damals nicht die beste war. Die im Ruder-Club Nordstern rudernden Mädchen (die Damenabteilung war gerade kurz vorher im Jahre 1931 gegründet worden) hatten eine bessere Zahlungsmoral. Aus diesem Grunde wurde der Beschluss gefasst, die Damenabteilung zu vergrößern, doch soll nicht verschwiegen werden, dass gleichzeitig festgelegt wurde, die Abteilung wieder abzubauen, sobald die Schulden einigermaßen gedeckt waren. Zur Ehrenrettung der Männer sei aber auch gesagt, dass dieser Geheimbeschluss nie in die Tat umgesetzt wurde. Man hatte nämlich zwischenzeitlich erkannt, dass sich Männlein und Weiblein viel besser verstanden, als vorher angenommen wurde.

Aus diesem Bericht ist zu erkennen, dass den Mitgliedern des damaligen Ruder-Club Nordstern, einem der Gründervereine des heutigen Ruder-Club Tegel, nichts geschenkt wurde. Wir haben also ein Erbe angetreten, dass uns unsere „Altvorderen“ hinterlassen haben, für das wir dankbar sein müssen und dass wir zu pflegen und weiterzugeben haben an unsere nach uns kommenden rudernden Generationen.

von Klaus-Dieter Nimscheck